Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Anbieten von „Lösungen“, anstatt standardisierter Produkte (Solution Selling), zu höheren Margen, einer stärkeren Kundenbindung und einer nachhaltigeren Kundenzufriedenheit führt. Darüber hinaus sind in den letzten Jahren die Erwartungen der Kunden an komplexe Gesamtlösungen, in die auch Dienstleistungen und unter Umständen Komponenten anderer Hersteller mit einbezogen werden, deutlich gestiegen.
Für „Lösungen“ gibt es keine aktive Nachfragesituation
Der Wandel vom Verkauf von Produkten zum Verkauf von Lösungen ist jedoch nicht so einfach. Er beginnt damit, dass der Verkäufer kein fertiges Produkt mehr hat, das er gut kennt und dem Kunden so anbieten kann. Für Lösungen gibt es keine Zielkunden: Man kann keine Lösung anbieten, bevor man das Problem kennt. Die Wirtschaftsprofessorin Dr. Margret Borchert erklärt: „Lösungen sind individualisierte und interaktiv entwickelte Angebote in gebündelter Form, deren Komponenten einen integrativen Mehrwert bieten, um ein komplexes Kundenproblem zu lösen.“ Es handelt sich also um grundlegend neue, komplexe Leistungen, mit denen der Käufer zunächst nicht vertraut ist und deren voller Nutzen für den Kunden möglicherweise noch nicht absehbar ist.
Neue Fähigkeiten der Verkäufer und Vorgehensweisen sind gefragt
Anstelle von Verkäufern sind nun Berater(-teams) gefragt, deren Fähigkeiten und Kenntnisse weit über das hinausgehen müssen, was ein Verkäufer im Vertrieb von Produkten leisten musste. Komplexe Probleme zu lösen, erfordert viel Fachwissen, ebenso genaue Kenntnis der Kundenprozesse und viel mehr Kundeninteraktion als früher. Für jedes Projekt muss eine eigene Vertriebstaktik entwickelt werden. So entsteht eine individuelle Verkaufschance. Nicht ein einzelnes Produkt, sondern die optimale Betreuung und Zusammenarbeit mit dem Kunden ist die Basis des Lösungsvertriebs. Der „Solution Selling Process“ erfordert auch eine andere Art der Unterstützung und Führung. Die Verkaufszyklen im Solution Selling können sich über Monate bis Jahre erstrecken, was bedeutet, dass mit verschiedenen Situationen und Prozessen anders umgegangen werden muss.
Unternehmen scheitern an der Umstellung, weil ihre Exzellenz im Produktverkauf liegt
Aufgrund der neuen Herausforderungen und Schwierigkeiten scheitern Unternehmen jedoch häufig daran, ihr Vertriebssystem nachhaltig in ein lösungsorientiertes System umzuwandeln. So basiert das Wissen eines Unternehmens auf Erfahrungen, Überzeugungen und Fähigkeiten einer produktorientierten Verkaufskultur. Aufgrund fehlender Erfahrungen mit komplexen Verkaufsprozessen und zu wenig Wissen über Beratungsmethoden ist die Durchsetzung dieser Lösungslogik daher zunächst schwieriger. Dabei können auch vorherrschende Managementpraktiken und fehlende Anreize für eine systematische Umstellung die Entwicklung erschweren. Hinzu kommen zunächst höhere Kosten und eine steigende Komplexität des Vertriebs, die eine Etablierung zusätzlich hemmen.
Für die erfolgreiche Implementierung eines Lösungsvertriebes sind 5 Aspekte wesentlich:
1. Gute Kenntnisse der Vertriebler von Absatzmärkten, Zielen und Prozessen der Kunden
Der lösungsorientierte Vertrieb erfordert vom Vertriebsmitarbeiter, dass er sich als Teil seiner Leistung in die spezifische Branche hineinversetzt. Er muss in der Lage sein, das Geschäft des Kunden in seiner Gesamtheit zu verstehen, um daraus den Produktbedarf abzuleiten. Ein natürlicher Wissensdurst sowie Willensstärke und Selbstvertrauen sollten daher Grundvoraussetzungen sein. Weitere Eigenschaften, die vor allem in High-Tech-Märkten gefragt sind, sind Kreativität und Akzeptanz im Umgang mit Kunden sowie das Interesse, alles für den Erfolg des Partners zu tun.
Dazu ist es u.a. notwendig, die Vertriebsorganisation nach Branchen und nicht nach Produkten oder Regionen zu strukturieren, um diese Spezialisierung zu ermöglichen.
2. Beratungseigenschaften
Beratung ist eine strukturierte Kommunikation (Fragen und Zuhören) mit dem Ziel, die Aufgabenstellung des Kunden zu verstehen und eine Lösung dafür zu finden. Die kompetente Beratung des Kunden ist ein wesentliches Element des Solution Selling. Denn der Lösungsverkäufer ist der Ansprechpartner, der durch systematisches Denken die Auswirkungen der angebotenen Lösung für den Kunden erkennt und optimal aufbereitet. Dazu ist es wichtig, die impliziten Regeln von Organisationen zu kennen und die vielfältigen Beziehungen zwischen Abteilungen und Marktpartnern zu verstehen. Dazu gehört auch, das Kommunikationsverhalten so anzupassen, dass die Wünsche, Aufgaben, Hoffnungen und Probleme der Kunden wahrgenommen werden.
3. Intensive Schulung der Vertriebsorganisation
Neben einer hohen Sozialkompetenz und Softskills sind im Solution Selling viele weitere Kompetenzen wie z.B. spezifisches Fachwissen von Bedeutung. Vor allem das Kommunikationstraining (auch nonverbal) in Bezug auf eine kompetente Beratung darf nicht vernachlässigt werden, da gerade im Solution Selling der Kunde seinen Verkäufer als Partner sieht und der Aufbau dieses Vertrauens für einen Verkaufsabschluss von großer Bedeutung ist.
Auch das reibungslose Zusammenspiel zwischen Vertrieb und Produktmanagement/-entwicklung muss trainiert werden.
4. Rigorose Auswahl der infrage kommenden Vertriebs-Chancen
Das Unternehmen sollte sich nur dort engagieren, wo es einen echten Mehrwert bieten kann. Keine „Lösungen“ sind Produkte oder Dienstleistungen, die einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen und nicht kundenspezifisch angepasst werden können, auch wenn sie im Vertrieb oft auch als solche bezeichnet werden.
5. Angepasste Zielsetzung und Führung
Neben den klassischen Erfolgskennzahlen muss das Management KPIs berücksichtigen, die den „Solution Selling Process“ abbilden. Nicht mehr der Produktabsatz ist von Bedeutung, sondern die erfolgreiche Kundeninteraktion mit Schritten hin zu einer vom Kunden akzeptierten „Lösung“.
Lesen Sie auch: WARUM und WIE einen einheitlichen, strukturierten Vertriebsprozess einführen?, Vertieftes Kundenverständnis erlangen, Führung von Verkäufern – Ruhestörung, aber kein Firefighting